Angst essen Seele auf
Emmi (Deutsche) und Ali (Ausländer) verlieben sich ineinander. Den feindseligen Gefühlen ihres Umfelds zum Trotz beschließen sie, zu heiraten — und begegnen der ungebremsten Wucht von Vorurteilen, die selbst ihre engsten Vertrauten teilen. In der Inszenierung verdichtet die ausbrechende Corona-Pandemie, wie Privates politisch wird und umgekehrt.
Eine Atmosphäre der Unsicherheit keimt auf. Aus der Mitte der Mehrheitsgesellschaft geben Fassbinders Figuren verletzende, hässliche Kommentare zu der ungleichen Ehe ab. Die zwischenmenschlich angespannte Ausnahmesituation wird zunehmend sicht- und fühlbar. Bilder vom Entstehen und von den Folgen von Ausgrenzung werfen die Frage auf: Wie wollen wir als Einzelne und als Gemeinschaft mit diesen Herausforderungen umgehen, wenn die Spielräume knapper werden?
Die Pandemie – eine bislang unbekannte „Naturkatastrophe“ – liegt wie ein Brennglas auf der Gesellschaft. Der Klassiker „Angst essen Seele auf“ offenbart Spielarten dieser Krise im Privaten und Persönlichen. Er fokussiert auf die aktuelle gesellschaftliche wie zwischenmenschliche Herausforderung: Gewalt in Familien.
In Zeiten von Corona werden Themen wie Aggression und Fremdenfeindlichkeit wieder ganz neu diskutiert. Und zwar nicht nur lokal und regional, sondern auch pannational. Das macht unser Stück noch aktueller – ja traurigerweise geradezu brisant – als es eh schon wäre. Mit seinem Film „Angst essen Seele auf“ gelang Rainer Werner Fassbinder 1974 eine Provokation. Heute zeigt sich, dass „Angst essen Seele auf“ nichts von seiner gesellschaftlichen Relevanz eingebüßt hat.
Regie: Nada Kokotovic
Kostüme: Joanna Rybacka
Ö-Arbeit: Iris Pinkepank
Es spielen: Doris Plenert, Nedjo Osman, Katharina Waldau, Klaus Nicola Holderbaum