Solist:innen im Ausnahme-Zustand: Spektakuläre Pièces de résistance, die aus der gemütlichen Komfortzone führen und zu Power Play und Parforce-Ritten einladen. Sie alle brauchen Kraft und Ausdauer, Geschick und Raffinesse. Vor allem aber gute Nerven.
Wer Theraps von Iannis Xenakis so spielen wolle, wie es in den Noten steht, der gerate, so der irische Kontrabassist Barry Guy, nahe an einen Zustand der Hypnose. Xenakis führe ihn an den Abgrund - und noch einen Schritt weiter. Der Titel Theraps lässt einen ja gleich an therapeutische Maßnahmen denken, hier bedeutet es aber die "Erhebung in einen höheren Bewusstseinszustand." Das Stück oszilliert zwischen sensibler Verfeinerung und Wildheit, wechselt zwischen brachialen Attacken und zarten Obertönen. Edicson Ruiz vergleicht Theraps mit einer Python, "die immer fester zudrückt".
Vinko Globokar gestaltet das Akkordeonsolo Dialog über Luft als "ein kleines Drama zweier komplementärer Aktionen": Drücken - Ziehen und Einatmen - Ausatmen. Eine virtuose Balgerei, die zwischen linker und rechter Hand, zwischen den Lungen des Instruments und der des Spielers ausgetragen wird. Rasend schnell und atemlos riskant ist das Bratschen-Solo Arashi (2007), dessen japanischer Titel ›Aufruhr‹ oder ›Sturm‹ bedeutet. Christophe Bertrand ging es nicht um Schnelligkeit, sondern darum, die Interpreten "vollkommen in die Musik" hinein zu ziehen. Adriana Hölszky treibt indessen das Multitasking auf die Spitze; sie lässt den Blechbläser ein ganzes Arsenal verschiedener Instrumente, zum Teil gleichzeitig spielen. Einer für alle: einen veritablen Posaunenauszug lässt Bernhard Gander seinen Solisten spielen, der das, was machbar ist, aus einem Bläserquintett wiedergibt.
Extrem ist auch das Setting in Heinz Holligers Cardiophonie, Das Stück folgt dem Rhythmus des Herzens und führt dabei, wen wunderts, zielstrebig an die Ränder menschlicher Existenz. Gemäß dem Credo: "Eine Kunst der Mitte ist uninteressant!"
Programm:
- Iannis Xenakis: Theraps für Kontrabass; Edicson Ruiz
- Vinko Globokar: Dialog über Luft für Akkordeon; Teodoro Anzellotti
- Adriana Hölszky: Ausschnitt aus "Weltenenden" für einen Blechbläser; Paul Hübner, Euphonium, Flügelhorn, Trompeten und Alphorn
- Christophe Bertrand: Arashi für Viola; Josa Gerhard
- Bernhard Gander: Messing I für Posaune; Mikael Rudolfsson
- Heinz Holliger: cardiophonie für Oboe und 3 Magnetophone; Heinz Holliger
WDR 3 Studio Neue Musik, „Power Play“, 03.07., 23h live auf WDR 3
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