Da ist er wieder, dieser besondere, magische Tag in der Domstadt: Der Elfte im Elften! Der Beginn der fünften Jahreszeit, die zwar leider immer durch Weihnachten kurz unterbrochen wird, aber trotzdem bis zum Aschermittwoch die jecken Herzen höherschlagen lässt. Ja, da ist was dran. Als waschechter Kölner trägt man den Karneval irgendwo tief in sich, er ist quasi fester Bestandteil der kölschen DNA.
Und auch bei mir ist dieser Tag fest verbunden mit einem Gefühl, über das ich jeden Abend bei der gerade zu Ende gegangenen „Stadtmusikant“-Tour gesprochen habe. Ich werde am 11.11. – genauso wie an Weiberfastnacht und Rosenmontag – immer vor dem Wecker wach (selten!), weil es schon überall kribbelt. Dann schalte ich zuallererst das Radio ein, und freue mich wie verrückt: Endlich normale Musik! In meiner Muttersprache! Und dann kann ich es kaum erwarten, mich fertig zu machen und ins bunte Getümmel zu stürzen. Es ist schwer zu beschreiben, was genau dieses „Fastelovendsjeföhl“ ist. Sicherlich ist es aber ein über das ganze Leben geprägte, sich immer wieder neu erfindendes und weiterentwickelndes Gefühl.
War der 11.11. in meiner Kindheit noch sehr klein und nicht allzu populär, und später bei meinen ersten Auftritten im Jugendlichen-Alter auch längst nicht so groß wie heute, so befinden wir uns inzwischen in einer Phase, wo schon zwei (!) Wochenenden VOR dem tollen Tag die Säle und Hallen voll sind mit Jecken, die es kaum erwarten können, wieder das erste „Alaaf“ auszurufen. Und das nicht nur in Kölle, sondern auch großräumig drumherum. Wahnsinn, wie sich das in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat.
Und trotz der zum Teil gewaltigen Kommerzialisierung bleibe ich dabei: Es kribbelt! Beim Metzger im Veedel, beim Bäcker und in der Weetschaff op der Eck, wird schon Tage im Vorfeld diskutiert, was man tragen will und wie der Tag aussehen wird. „Nä, e Kostüm han ich noch nit. Dat es mer ze fröh!“, „Also ich persönlich kann domet jo nix ahnfange“, „Ich bliev em Veedel – en der Stadt weed doch suwiesu nur jesoffe un eskaliert“, „Ich hätt jään drei Pund Mett, ming Fründinne kumme zom Fröhstöck. Dat maache mer zick 40 Johr esu.“ So vielfältig die Kommentare sind, die man mitbekommt, so kritisch sind sie auch manchmal. Eines haben sie aber gemeinsam: Sie bewegen etwas, sie regen an, sie machen was mit uns Kölschen. Jeder hat seine Meinung, was vielleicht in Zeiten wie diesen besonders wichtig ist. Wie schlimm und gefährlich ist es denn bitte, keine Meinung zu haben?
Deshalb freute ich mich ganz besonders, dass es einen sehr zustimmenden, stürmischen Zwischenapplaus gab, als ich meinen Song „Einmol em Johr“ im Februar in der Volksbühne zum allerersten Mal überhaupt dargeboten habe. Darin singe ich:
„Doch Karneval es su vill mieh, als su mancher vielleicht denk,joot för Hätz un Siel, un vum Himmel e Jeschenk!Spaß an d’r Freud, nit öm jede Preis – doch weiß ich, dat ich richtig ben,wenn ich en Veedel-Million Minsche för der Fredde ahn der Vringspooz sin.“
Foto: Dirk Loerper
Was bin ich froh, dass wir diesen wunderbaren Bühnenmoment festgehalten haben, und diese Publikumsreaktion nun auch auf dem im September überall digital erschienenen „Stadtmusikant“-Live-Album nachhören kann. Sie hat mich bestärkt, dass ich mit meiner Meinung nicht allein bin.
Man muss nicht alles am Karneval mögen, und jede(r) hat sich sicherlich eigene jecke Steckenpferde. Trotzdem eint uns die jecke Zeit auf eine einmalige Art und Weise, und wenn es hart auf hart kommt, stehen wir zusammen. Nicht nur wenn der Zoch kütt, auch wenn es gesellschaftlich brenzlig und gefährlich wird. Und das ist für mich persönlich das Wichtigste an der ganzen Sache. Vielleicht kribbelt es deshalb, kann gut sein!
Mit jedem Alaaf, das auf der Bühne ausgerufen wird, schwingen diese Gedanken bei mir mit. Ich freue mich heute auf viele schöne Bühnenmomente, das besondere Kribbeln, dat kölsche Jeföhl – und vor allem freue ich mich, wenn alles friedlich und respektvoll verläuft. Das ist das Beste, was unserem wunderschönen Volksfest passieren kann. Ich glaube daran.
Alaaf,
üre Björn