Wir fahren mit dem schönen blauen HEUSER-Tourbus gerade über die Zoobrücke. Der Rhein glitzert auf magische Weise, weil sich zum ersten Mal in diesem Jahr die Sonne darin spiegelt. Es ist kalt, aber wunderschön. Und wie fast täglich sind wir unterwegs in Sachen Frohsinn, um möglichst vielen Jecken in der schönsten, kölschen Jahreszeit Freude zu bringen. Die Säle sind voll, die Menschen haben große Lust zu singen, und wie so oft bin ich einfach nur dankbar, dass ich als Lebensaufgabe und Leidenschaft – ja, ich würde es definitiv nicht „Arbeit“ oder „Beruf“ nennen wollen – habe, den Menschen Freude zu bringen. Das wertschätze ich in hohem Maße.
Mit meiner Crew unterwegs zu sein, fühlt sich gut an. Das ist wie eine zweite Familie. Ich habe stets so tolle Leute an meiner Seite, auf die ich mich verlassen kann, und mit denen es viel Spaß macht, die oftmals sehr langen Tage zu überstehen. Auch das ist ein großes Glück und längst nicht selbstverständlich. Ohne mein Team wäre ich nichts.
Aber es gibt sie auch, die stillen Momente im Bus. Zwischen zwei Auftritten, oder wenn mal eine größere Pause oder längere Fahrt zu absolvieren ist. Da läuft meistens das Autoradio. Und weil wir alle interessiert sind, was so in der „Nicht-Fastelovends-Welt“ passiert, wird bei den Nachrichten automatisch die Lautstärke etwas erhöht.
Gerade noch nen Tusch und nen Orden bekommen, Zugabenrufe, alles bunt, Jubel, Trubel, Heiterkeit. Und dann hört man vom Nachrichtensprecher wieder Worte wie „Brandmauer“, „Neuwahlen“, „rechter Rand“, „AFD jubelt“, „Anschläge“, „Trump wettert gegen wen auch immer“, „Geiseln“, „… fordert zahlreiche Todesopfer“ oder „unter den Toten ist ein zweijähriges Kind“.
Das passt schlecht zusammen. So viele Eindrücke und Emotionen innerhalb weniger Minuten. Ich gebe zu, dass mir das Umschalten zwischen diesen beiden Welten immer schwerer fällt. Die Vorstellung, welche grausamen Dinge genau im selben Moment passieren, in dem wir lauthals und voller Freude „Kölle Alaaf“ rufen, bringt mich immer häufiger aus der Fassung. Liegt es daran, dass ich älter werde? Liegt es daran, dass sich mein Blick auf die Erde und das Leben weiterentwickelt? Ich habe keine Ahnung. Aber es lässt mich auch immer demütiger werden.
Ich komme ins nächste Foyer, wo ich zugunsten eines Kinderhospizes spiele. Viele Eltern in meinem Alter sind dort. In manchen Augen kann man nur erahnen, was sie alles durchmachen mussten. Und doch bin ich hier, um für gute Stimmung zu sorgen, animiere zum Schunkeln, Singen und zur obligatorischen LaOla-Welle. In dem Moment fühlt es sich richtig an.
Aber hey, jetzt bloß nicht mit den Gedanken abschweifen, ich hatte doch schon die zweite Strophe, oder?
Zum Kopf-frei-kriegen und fitbleiben gehe ich meist jede Nacht zu Fuß aus der Kölner Innenstadt nach Hause in mein heimisches Bickendorf. Am Wochenende ist unheimlich viel los auf den Ringen und drumherum. Oft sind unschöne Szenen zu beobachten. Rangeleien, Provokationen und für mein Gefühl immer krasser steigendes Aggressionspotential. Ich habe Angst, Menschen anzuschauen, geschweige in die Augen zu gucken. Das reicht oftmals schon aus, um vermöbelt zu werden. Wie unsagbar schade ist das? Gerade noch mit knapp tausend Leuten die Illusion von „unserem Veedel“ zelebriert, vor der Türe fast das Gegenteil.
Leute, in Fastelovend steckt doch das Wort „Love“. Die Beatles haben mal behauptet, das sei alles, was man braucht.
Ich glaube, das stimmt!
Die Kollegen von Cat Ballou sagen es auf Plakaten im gesamten Stadtgebiet. Und ich trage die Message ebenfalls mehr als gerne weiter. Dringender denn je: Seid lieb zueinander!
Kölle A-LOVE-you,
üre Björn