Uff. Das war ein wilder Ritt. Die letzten sechs Tage saß ich nicht mehr hier unter’m Dach in meiner Kreativschmiede, weil ich mehr oder weniger Tag und Nacht unterwegs war, und die wenigen „freien“ Stunden zum Schlafen nutzte.
Und jetzt sitze ich hier an der Tastatur, tausend Würmer im Ohr, Konfetti – wo und wie auch immer DAS jetzt hierhin kommt – und immens viele Eindrücke aus wahrhaftig „sechs tollen Tagen“. Angefangen Weiberfastnacht um 10:30 Uhr vor mehr als zehntausend Menschen im Tanzbrunnen auf der Bühne, bis zum Ende gestern bei der Nubbelverbrennung im Veedel.
Wie bunt, schön, friedlich, freudevoll und emotional kann eine Stadt sein? Köln: Ja!
Ich persönlich habe dieses Jahr eine besonders ausgelassene Feierstimmung erlebt, und das Wunderbare daran ist, dass sie mit einem Gefühl von Gemeinsamkeit um die Ecke kam. Man hat aufeinander geachtet, ich habe keine Totalausfälle oder unschöne Situationen mitbekommen, und dass, obwohl ich wirklich viel unterwegs war. Jeden Abend bin ich nach der Arbeit zu Fuß nach Hause gelatscht. Und klar gibt es da viele Leute, die vielleicht das ein oder andere Kölsch besser nicht getrunken hätten, aber ich habe niemanden gesehen, der ausgetickt, pöbelig oder aggressiv wurde.
Vielleicht hatte ich einfach Glück, vielleicht merkt man aber auch inzwischen, dass es eine Entwicklung in der Gesellschaft gibt, die eher zusammen- als auseinanderführt. Das wäre doch sehr schick? Dann sind nämlich die Botschaften, die aus allen Kneipen schallten, ernst gemeint: „Denn he hält mer zesamme!“ (aus „En unserem Veedel“ der „Bläck Fööss“).
Und ich fürchte, dass es auf das „zusammen“ mehr denn je ankommt. Im Veedel, im Land, in Europa, auf der Welt. Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der sich wünschte, dass der Aschermittwoch nicht so schnell kommt, und damit die bunte Zeit wieder vorbei ist. Denn in Zeiten wie diesen ist leider ziemlich klar, dass wir uns dann wieder der grauen Realität stellen müssen.
Was geht hier eigentlich gerade ab auf der Welt? Für diesen ganzen Driss kann man noch nicht mal unseren armen Nubbel verantwortlich machen. Der kann einem fast schon leidtun.
Die Tränen in den Augen beim letzten Alaaf in der Nacht zeugen also nicht nur von der traurigen Gewissheit, dass wir jetzt wieder auf den 11.11. warten müssen. Sie waren vielleicht ein bisschen „echter“ als sonst, denn ganz ehrlich: Auch mir ist es zum Heulen, wenn ich überlege, in welchen Zeiten wir leben, und ich den vorsichtigen Gedanken wage, in welche Welt ich ein Kind gesetzt habe.
Das versuche ich aber nicht zu nah an mich ranzulassen. Ich bleibe im hier und jetzt. Und da ist das Bild präsent, wie Vater und Sohn am Zugrand stehen, Kamelle rufen, so laut es geht, und mich auf dem Heimweg zwei strahlende Augen anschauen und fragen: „Wann ist endlich wieder Karneval, Papa?“
Ich schaue aus dem Fenster, es ist noch immer Traumwetter, und ich erwische mich dabei, dass ich aus der Macht der Gewohnheit der letzten Tage, im rot weiß gestreiften Ringelhemd am Schreibtisch sitze.
Das kommt jetzt erstmal in die Wäsche, die Fenster werden aufgerissen, neue Energie wird getankt, und dann geht es ab 20. März auf Tour mit meinem neuen Liedermacherprogramm „Minge ahle Hoot“. Was freu ich mich drauf! Die nächsten Farbtupfer im grauen Weltgeschehen.
Sehen wir uns? Das Köln-Konzert des Programmes ist übrigens am 1. April im Brunosaal.
Wir lesen uns aber bestimmt vorher noch,
üre Björn