Die Nachricht hat die Kölner Kulturszene zutiefst erschüttert: Ein Nachbar der Volksbühne am Rudolfplatz hat gegen den traditionsreichen Theaterbetrieb geklagt und in erster Instanz gewonnen. Der Kläger empfand das musikalische Programm als unzumutbare Lärmbelästigung.
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Ekkehard Florin
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Digitalfotografie Fischer
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Roland Breitschuh
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Roland Breitschuh
Das Urteil betrifft nicht nur das Musical „Himmel und Kölle“. Auch weitere Veranstaltungsorte in Köln sind alarmiert. Viele Leute, die in jungen Jahren in die Großstadt ziehen und das kulturelle Angebot voll nutzen, wollen, wenn sie älter werden, ihre Ruhe haben. Wenn diese gegen Lärm klagen, könnte dies in Kombination mit Gerichtsurteilen für die Event-Stadt Köln zum Problem werden. Da steht Stadtleben gegen Anwohnerschutz. „Als ehemaliges Millowitsch-Theater ist die Volksbühne eine Institution. Dass jetzt an diesem schönen Ort auf der Aachener Straße, dieser pulsierenden Meile mit Theatern, Bars und Restaurants, künftig keine Musik mehr möglich sein könnte, ist ein Schock“, meint der Musical-Produzent Frank Blase. Das gefährde das Engagement der eingebundenen Produktionsfirma Apiro Entertainment. Nach gerade erst überstandener Pandemie umso bitterer.
Kultur in Gefahr
„Himmel und Kölle“ hatten die Grimmepreisträger Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob für ihre Heimatstadt geschrieben. Das Musical hat in vier Kategorien beim Deutschen Musical Theater Preis 2020/21 gewonnen und ist als „Kulturereignis des Jahres 2021“ mit dem Kölner Kulturpreis ausgezeichnet worden. „Das Urteil trifft uns hart. Zuletzt erfuhren wir, wie systemrelevant Kultureinrichtungen für unsere Gesellschaft sind. Und nun das.“ sagt, Axel Molinski, Geschäftsführer der Volksbühne am Rudolfplatz. Die Volksbühne erklärt: „Die Stadt Köln hat nach der Renovierung des Millowitsch-Theaters eine Baugenehmigung erteilt.“ Man habe große Summen in Schallschutzmaßnahmen investiert, Messungen durchgeführt und das Ende jeder Veranstaltung auf 22 Uhr gesetzt. Dabei sei wie üblich die „TA Lärm“ als Maßstab zu Grunde gelegt worden. Das Gericht habe nun überraschend die Immissionen nach der „Freizeitlärmrichtlinie“ beurteilt. „Es kann nicht sein, dass ein Nachbar angrenzend an den Theatersaal eine gewerbliche Fläche kauft, zum Innenstadtloft umbaut und nun mit juristischen Mitteln versucht, ein Traditionstheater zu verbieten. Wir sind in Berufung gegangen.“ Wichtig kann nun sein, dass das Musical eher dem Theater, als der Musik zugeordnet wird, weil in der deutschen Unterscheidung zwischen U- und E-Musik das Theater für Unterstützenswerter gehalten wird und dies bei solchen Gerichtsurteilen zugunsten der Kulturstätte greifen könnte. Die Stadtverwaltung gibt folgende Stellungnahme: „Die Stadtverwaltung hat im Rahmen der jeweiligen Genehmigungsverfahren versucht, durch die Erteilung der jeweiligen Baugenehmigungen eine Befriedung innerhalb der Nachbarschaft herbeizuführen.“ Zudem sei ein gerichtlich geführtes Mediationsverfahren vorgeschlagen worden, um zu erörtern, wie ein nachbarschaftliches Miteinander möglich ist, das beide Nutzungen nebeneinander ermöglicht. Leider sei dieses nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gelangt. Dennoch setze die Stadtverwaltung ihre Bemühungen für eine gütliche Einigung fort.