Der Neumarkt steht seit langer Zeit in der öffentlichen Kritik. Ein tragfähiges Konzept zur Zukunft des größten Kölner Platzes wurde ebenso lange vermisst.
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Visualisierung: Büro Braunfels
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mwk-koeln.de
Initiiert von Professor Henrik Hanstein (Kunsthaus Lempertz), weiteren Anrainern und mit der Unterstützung von Institutionen aus Wirtschaft und Kultur sowie der „Interessengemeinschaft Neumarkt e.V.” (IG) und der „Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt e.V.” (BI) entstand nun ein städtebauliches und verkehrstechnisches Konzept auf der Basis des von Albert Speer entwickelten Leitbildes 2030+. Hierzu wurde ein nicht unbeträchtlicher Geldbetrag aufgewendet und der bekannte Architekt und Städteplaner Professor Stephan Braunfels beauftragt, für den Neumarkt ein Umsetzungskonzept zu erarbeiten. Dabei war es den Inititatoren wichtig, dass dieses von möglichen Entscheidungen zum Bau einer U-Bahn auf der Südseite des Neumarkts unabhängig ist und von heute bis 2030 schrittweise umgesetzt werden kann.
Barcelona, Lyon oder Paris
Dieses Zukunftskonzept wurde nun in der Joseph-Könn Aula an Sankt Aposteln öffentlich präsentiert. Oberbürgermeisterin Heriette Reker nahm es entgegen und betonte, sich intensiv damit befassen und neue Anstrengungen für den Neumarkt unternehmen zu wollen.
Braunfels verglich die am Kölner Neumarkt auftretenden Probleme mit jenen, die sich durchaus auch in anderen europäischen Städten manifestiert hätten und nannte Beispiele wie Barcelona, Lyon und Paris. Dort habe man diese allerdings schon vor Jahren gelöst: durch intelligente städtebauliche Konzepte und eine attraktive Platzgestaltung.
Aufenthaltsqualität schaffen
Erreicht werden solle, dass Menschen wieder gerne auf dem Neumarkt sind. Braunfels: „Jetzt ist der Neumarkt eine leere Fläche. Welchen Grund gäbe es, nicht nur über ihn hinwegzugehen, sondern sich dort aufzuhalten? Das ist zur Zeit auch gar nicht vorgesehen. Es gibt nicht eine Bank, auf die man sich setzen könnte. Der Neumarkt soll ein Platz werden, zu dem man hinstrebt, auf dem man sich trifft, auf dem man gerne ist.” Entstehen müssten nicht kommerzielle Sitzmöglichkeiten, eine kleine Außengastronomie, aber auch Schönes zum betrachten – wie Wasserspiele.
Wasser ist ein Element, dass der Architekt für den Neumarkt ganz besonders in den Fokus rückt. Nicht stille Becken, sondern bewegte Fontänen, die das Bild des Platzes aktiv gestalten, ohne seine Ruhe zu stören. Mehrfontänige, flächendeckende Wasserspiele auf dem Neumarkt hätten gegenüber anderen Bauten einen Vorteil: Stellt man sie ab, ist der Platz weiterhin für jede andere Nutzung offen. Floh- und Weihnachtsmärkte könnten wie gewohnt stattfinden, aber ebenso Demonstrationen; auch Roncalli könnte weiterhin sein Zelt aufbauen.
Portal zur Innenstadt
Wichtig ist dem Städteplaner die bessere fußläufige Anbindung des Platzes an die Achse Schildergasse-Mittelstraße. Im Idealfall solle der Neumarkt nicht mehr vom gesamten Verkehr umfahren werden. Die Nordseite des Platzes sei vielmehr gestalterisch bis zur anliegenden Bebauung zu führen. So entstünde nicht nur optisch eine breite Trasse für Zufußgehende sowie für eine angemessene Außengastronomie, sondern auch für eine weitere Reihe Bäume, die das Platzklima positiv beeinflussen würden. Weiterhin erlaubt sein solle die Passage für Radfahrende, Bahnen und Busse sowie für den Anliegerverkehr. Weniger Verkehr ist möglich Seine Erfahrung zeige, erläuterte Braunfels, dass der Rückbau von bestehenden Verkehrsflächen stets zu großen Diskussionen und erheblichen Bedenken führe. Seine Erfahrung zeige aber auch, dass die Verkehrsdichte zunehme, wenn man Autos mehr Raum gäbe und abnehme, wenn man ihren Raum sinnvoll beschränke. Autofahrende nutzten jeweils immer die Möglichkeiten, die sich ihnen böten. „Bieten wir ihnen andere, so nutzen sie diese”, so Braunfels und verwies auf die von ihm gestaltete Neue Mitte Ulm. „Dort wurde die sehr begrenzte Fläche in der Stadtmitte fast gänzlich von einer mehrspurigen Fahrbahn verbraucht“, so Braunfels. „Wir haben diese Fahrbahnen unter größten Diskussionen komplett zurück gebaut, zugunsten von besseren Aufenthaltsflächen. Der intensive Verkehr ist verschwunden, niemand beklagt sich.”
Die Verkehrsführung rund um den Neumarkt und am Neumarkt vorbei ist einer der größten Diskussionspunkte, wenn es um eine Neugestaltung des gesamten Areals geht. Dies auch, weil der Bau einer U-Bahn an der Südseite des Platzes noch nicht abschließend entschieden wurde. Kommt diese, findet sich dort eine Großbaustelle über Jahre hinweg.
Umsetzung in Schritten
Stephan Braunfels betont, er lege eine Konzept vor, das modulartig umgesetzt werden könne. Es gäbe jeweils mehrere Optionen. Entscheide man sich für eine neue Verkehrsführung, so sähe das Konzept dies vor. Entscheide man sich dagegen, so gäbe es auch dafür Vorschläge. Man könne sich quasi ringförmig in einzelnen Schritten von außen nach innen auf die Platzmitte zubewegen. Könne man sich zu gar nichts entschließen, bliebe immer noch die Möglichkeit, den Platz einheitlich neu zu Pflastern. Die jetzige Pflasterung mit ihren 23 unterschiedlichen Ansätzen und Materialien sorge schon aus sich heraus für ein schmuddeliges Erscheinungsbild.
Braunfels – und mit ihm das versammelte Publikum – ging jedoch davon aus, dass sehr viel mehr möglich ist, wenn sich Verwaltung und Politik in Köln zusammenschlössen und diese Aufgabe beherzt angingen. Kölns größter Platz stünde nicht nur für sich sondern ebenso für ganz Köln. Politische Zusammenarbeit Die anwesenden Vertreter der Kölner Ratsfraktionen bekräftigten in einzelnen Redebeiträgen aus dem Auditorium auch sogleich, dass sie dazu und zur dafür notwendigen Zusammenarbeit bereit seien. Man wolle eine Auswertung des Konzepts umgehend angehen und nicht ins nächste Jahr verschieben. Oberbürgermeisterin Henriette Reker bedankte sich für das Engagement der Initiativen und betonte ihre grundsätzliche Unterstützung des Engagements, wenngleich sie weiter-hin Herausforderungen sehe.
Großes ist möglich
Auch die von Architekt Kaspar Krämer (ehem. Vorsitzender des Bundes deutscher Architekten) moderierte Diskussion mit dem Publikum ergab die deutliche Forderung an Politik und Verwaltung, dem Platz die notwendige Aufmerksamkeit nicht weiter zu versagen und endlich Fassbares entstehen zu lassen. Am Ende waren sich viele in vielem einig, auch in der Hoffnung gemeinsam viel schaffen zu können.
Alexandra L. Evers, Vorsitzende der IG Neumarkt und Guido Köhler, Vorsitzender der BG Zukunft Neumarkt zeigten sich überzeugt: „Auf dem Neumarkt kann wieder Großes entstehen. Wir bleiben dauerhaft am Ball.“
INFO Das Konzept zum Download: www.ig-neumarkt.de, Weitere Informationen: www.zukunft-neumarkt.de